Eine einzige Politik quer über 28 Nationen machen ist unmöglich. Schon von daher hat die Europäische Union einen schweren Geburtsfehler. Stabile Hartwährungsländer wie Deutschland, Benelux, etc. sind mit Ländern zusammen, die völlig andere Koordinatensysteme haben, um es höflich zu sagen.
Die europäische Verfassung hätte ein Gefäß sein sollen für den gemeinsamen politischen Willen Europas. Ein gemeinsamer Wille, der 500 Seiten Papier braucht, um sich auszudrücken, ist keiner. Insofern ist die Ablehnung der Verfassung durch die Bürger konsequent. Die Bürger lehnen das Europa der Eurokraten ab.
Es fehlen der Kitt und das Totem
Eurokrat, das ist eine Mischung aus Parteifunktionär und Bürokrat. Das sind unsichtbare Machthaber. Das Prinzip der Macht aber ist die Sichtbarkeit, die Individualität, die Personifizierung. Eurokraten mögen ausgewogen, effizient, ja sogar gerecht sein. Vielleicht ist Europa noch nie so gut verwaltet worden wie unter diesen Buchhaltern und Finanzingenieuren der Politik. Aber es fehlt der Kitt, die Liebe (oder der Hass) des Volkes. Es fehlen die Ikone und das Totem, es fehlen Gott und König, Kaiser, Papst, Führer. Ohne diese offensichtlich im menschlichen Erbgut angelegte Heiligenverehrung in Menschengestalt ist kein Staat zu machen.
Ein neuer Kaiser?
Erst wenn es einen Präsidenten nach amerikanischem Vorbild zu wählen gäbe von Hammarfest bis Malta, erst dann könnte man von einer Sichtbarkeit und Verantwortung sprechen. Sicher ist dann aber auch, dass wir nicht das modernste und effizienteste Machtmodell hätten. Es wäre eine neue Art Kaiser, gegründet auf das große Geld und die Medien, also schon eher spätantik in der Veranlagung, gar nicht republikanisch.
Europa soll ein Kranz sein, kein Imperium
Europa müsste sich eher an das Schweizer Modell halten. Ein Direktorium, welches automatisch die gewählten Staats- und Ministerpräsidenten der Nationen sind. Die ersteren bilden den Aufsichtsrat, die zweiten den Verwaltungsrat. Zumindest der Verwaltungsrat ist in ständigem Kontakt zueinander und trifft sich einmal die Woche. Dieses Direktorium wird Stabilität und Entwicklung über die Währungspolitik, aber auch über die Wirtschafts- und Sozialpolitik steuern.
Frei nach Leopold Kohr:
Länder, die länger als eine Flugstunde vom Zentrum entfernt sind, können nicht zur EU gehören.
Editorische Wanderung
Dieser Beitrag von Georg Dekas erschien erstmals als Leitartikel in der Burggräfler Allgemeinen Zeitschrift (BAZ). Veröffentlicht auf dekas.it am 06 Jun 2005. Ohne Nachbearbeitung, aber mit neuem Titel, auf nuis.it übertragen am 31.03.2023. dege. Mit selbigen Datum übertragen auf dekas.blog. BILD: Otto-Wagner-Kirche Wien, Detail (c) dege 2018